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04002 Schutz von Whistleblowern durch das Hinweisgeberschutzgesetz

Obwohl die große Bedeutung des Whistleblowing unbestritten ist, bestand lange Zeit Unsicherheit bei der juristischen Beurteilung dieses sensiblen Themas, da es keine konsistente Rechtsgrundlage dafür gab. Dies hat sich mit Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetzes im Juli 2023 geändert. Nach diesem Gesetz sind Unternehmen ab 50 Beschäftigten verpflichtet, ein internes Hinweisgebersystem einzurichten.
Dieser Beitrag beantwortet die wichtigsten Fragen rund um das Gesetz und zeigt, wie die Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben insbesondere durch die Anwendung der ISO 37002 unterstützt wird.
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1 Rechtliche Grundlagen zum Schutz von Whistleblowern

Es sind nicht nur kriminelle Machenschaften von Führungskräften und Mitarbeitenden wie Betrug, Korruption, Geldwäsche und Sabotage, die Unternehmen vor große Probleme stellen. Auch die Missachtung von Gesetzen, Verstöße gegen unternehmensinterne Regeln und unangemessene Verhaltensweisen von Vorgesetzten bei der Mitarbeiterführung können in Unternehmen immens hohe Schäden verursachen. Wirtschaftsskandale wie der Abgasskandal in der Automobilindustrie und Wirecard sind hier nur zwei prominente Beispiele. Whistleblower, also Personen, die wichtige Hinweise zu derartigen Verstößen liefern, können dabei helfen, diese frühzeitig aufzudecken. Doch wie steht es um den Schutz von Whistleblowern und wie soll mit derartigen Hinweisen umgegangen werden?
Whistleblower in rechtlicher Grauzone
Insbesondere in Deutschland war der Schutz von Whistleblowern und der Umgang damit gesetzlich nur lückenhaft geregelt. Zwar forderten verschiedene Gesetze, z. B. das Geldwäsche-, das Geschäftsgeheimnis- und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz den Schutz von Whistleblowern, dennoch existierte kein umfassendes Regelwerk zu diesem Rechtskomplex. Dies führte nicht selten dazu, dass Mitarbeitende, die Verstöße in Unternehmen meldeten oder damit an die Öffentlichkeit gingen, selbst damit rechnen mussten, gegen geltendes Recht, insbesondere das Arbeitsrecht, verstoßen zu haben, und daher Sanktionen zu befürchten hatten.
EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern
Aufgrund der rechtlichen Unzulänglichkeiten, aber auch der Erkenntnis, dass Whistleblower einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Verstößen in Unternehmen und öffentlichen Institutionen leisten, nahm sich die Europäische Union dieses Themas an und schuf eine rechtliche Grundlage zum Schutz von Whistleblowern und zu einem geregelten Umgang mit Meldungen zu Verstößen. Dazu veröffentlichte sie am 23. Oktober 2019 die EU-Richtlinie 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurden aufgefordert, diese Richtlinie bis zum 17. Dezember 2021 in nationales Recht umzusetzen.
Hinweisgeberschutzgesetz
In Deutschland konnte diese Frist zur Verabschiedung eines nationalen Gesetzes, Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) genannt, nicht eingehalten werden. Grund dafür war, dass das Gesetzgebungsverfahren durch kontroverse Diskussionen der verschiedenen Gesetzesentwürfe im Bundestag und einen Verweis des Gesetzes in den Vermittlungsausschuss in die Länge gezogen wurde. Die Verabschiedung des HinSchG erfolgte dann im Mai 2023. Am 02.07.2023 trat das Gesetz in Kraft. Nach diesem Gesetz sind Unternehmen mit 250 Beschäftigten und mehr verpflichtet, innerhalb eines Monats ein internes Hinweisgebersystem einzurichten. Ab dem 17.12.2023 gilt diese Pflicht dann auch für Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten.
Nutzen des HinSchG
Das HinSchG führt nicht nur zu einem besseren Schutz von Whitstleblowern, die in diesem Beitrag als Hinweisgeber bezeichnet werden. Es hilft auch dabei, Missstände offenzulegen und Schwachstellen in der Aufbau- und Prozessorganisation des Unternehmens zu erkennen und zeitnah zu beseitigen. Darüber hinaus bietet das HinSchG folgende Vorteile. Es
begrenzt das Haftungsrisiko,
schafft Vertrauen im Unternehmen, aber auch bei Kunden, Geschäftspartnern, Lieferanten und Investoren,
schützt vor Umsatzverlusten und Reputationsschäden,
nimmt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Angst vor Repressalien,
schreckt ab und hilft dabei, Verstöße zu verhindern,
fördert eine transparente Unternehmenskultur.
Personenbezogener Anwendungsbereich des HinSchG
Gemäß § 1 Abs. 1 und 2 regelt das HinSchG den Schutz von hinweisgebenden Beschäftigten, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen externen oder unternehmensinternen Meldestellen melden oder offenlegen. [1] Darüber hinaus schützt es Personen, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind.
Sachlicher Anwendungsbereich des HinSchG
Das HinSchG legt in § 3 fest, worauf sich Meldungen zu Verstößen von Hinweisgebern beziehen können. Es nennt u. a. folgende Bereiche [1]:
Geldwäsche und Terrorismusbekämpfung,
Produktsicherheit und -konformität,
Sicherheit im Straßenverkehr,
Eisenbahnbetriebssicherheit,
Sicherheit im Seeverkehr,
zivile Luftverkehrssicherheit,
Sicherheit von zu befördernden gefährlichen Gütern,
Umweltschutz,
Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit, Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen,
Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit,
Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Organe und Substanzen menschlichen Ursprungs,
Verkauf von Tabakerzeugnissen,
Verbraucherrechte und Verbraucherschutz,
Schutz der Privatsphäre,
Schutz personenbezogener Daten,
Sicherheit in der Informationstechnik,
Rechte von Aktionären und Aktiengesellschaften,
Abschlussprüfung bei Unternehmen im öffentlichen Interesse.
Ist das HinSchG immer vorrangig anzuwenden?
Die Frage ist, ob das HinSchG immer Vorrang vor der Anwendung anderer Regelwerke hat. Das HinSchG fordert in § 4 Abs. 1, dass bestimmte spezifische Regelungen über die Mitteilung von Informationen über Verstöße vorrangig anzuwenden sind, so u. a. das Geldwäsche-, Kreditwesen-, Wertpapierhandels-, Versicherungsaufsichts-, Börsen-, Seearbeits- und Schiffsicherheitsgesetz [1]. Gemäß § 5 Abs. 1 HinSchG fallen auch Informationen nicht unter das Gesetz, wenn sie die nationale Sicherheit oder Sicherheitsinteressen des Staates betreffen. Gleiches gilt für Informationen, die die Vergabe bestimmter öffentlicher Aufträge und Konzessionen betreffen.
Umgang mit Geschäftsgeheimnissen
Auch stellt sich die Frage, inwieweit Geschäftsgeheimnisse vom HinSchG tangiert werden. Dazu führt § 6 aus, dass die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen an eine Meldestelle oder deren Offenlegung nur dann erlaubt ist, wenn der Hinweisgeber hinreichenden Grund zu der Annahme hatte, dass die Weitergabe oder die Offenlegung des Inhalts dieser Informationen notwendig ist, um einen Verstoß aufzudecken und wenn ein hinreichender Grund zur Annahme besteht, dass die Informationen wahr sind und unter das Gesetz fallen. [1]

2 Welche Vorgaben enthält das Hinweisgeberschutzgesetz?

Wahlrecht bei Meldungen
In § 7 Abs. 1 bis 3 eröffnet das HinSchG Hinweisgebern ein Wahlrecht. So haben diese einerseits die Möglichkeit, sich mit ihren Informationen über Verstöße an eine externe oder aber an eine im Unternehmen einzurichtende Meldestelle zu wenden. [1] Das Gesetz fordert jedoch, dass das Unternehmen Anreize dafür schafft, dass Hinweisgeber Verstöße möglichst intern melden, z. B. dadurch, dass es leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens bereithält. Wurde einem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen, darf sich die hinweisgebende Person an eine externe Meldestelle wenden. Bei beiden Meldeoptionen ist sicherzustellen, dass die Kommunikation zwischen hinweisgebenden Beschäftigten und der Meldestelle nicht behindert oder beschränkt wird.
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