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02101 Umwelthaftung nach dem Umweltschadensgesetz – Erweiterte Anforderungen an die Risikobetrachtung für Unternehmen

Das Umweltschadensgesetz verpflichtet zu einer Haftung auch für rein ökologische Schäden (öffentlich-rechtliche Haftung), wovon alle beruflichen Tätigkeiten erfasst werden. Bei den als besonders „risikoreich” eingestuften Tätigkeiten, die in der Anlage 1 zum USchadG aufgelistet sind, gilt diese Haftungsverpflichtung zudem verschuldensunabhängig und schließt sogar den genehmigten Normalbetrieb mit ein.
von:

1 Einführung

Aufgrund der gemeinschaftsrechtlichen Pflicht zur Umsetzung der europäischen Umwelthaftungsrichtlinie (UH-RL) trat am 14. November 2007 das Umweltschadensgesetz (USchadG) in Kraft.

2 Erweiterte Haftungsverpflichtung für Unternehmen

Mit der Einführung des USchadG entstand in Deutschland eine bis dahin nicht vorhandene öffentlich-rechtliche Haftung für Umweltschäden, wonach der Verursacher verpflichtet ist, den Ausgangszustand der geschädigten Umwelt wiederherzustellen. Als haftungspflichtige Schadensursachen kommen alle beruflichen Tätigkeiten in Betracht. Bei den als besonders „risikoreich” eingestuften Tätigkeiten, die in der Anlage 1 zum USchadG aufgelistet sind, wie der Betrieb von Anlagen nach der IVU-Richtlinie, Abfallbewirtschaftungsmaßnahmen oder der Umgang mit gefährlichen Stoffen, gilt diese Haftungsverpflichtung zudem verschuldensunabhängig und schließt sogar den genehmigten Normalbetrieb mit ein. Dabei ist jede Tätigkeit mit Gefahrenstoffen in die Haftung eingebracht, unabhängig davon, ob diese Stoffe nur gelegentlich verwendet werden oder nur in geringen Mengen vorhanden sind.
Anwendung findet das Gesetz nicht nur bei Schäden an Gewässern oder am Boden, sondern auch bei Biodiversitätsschäden, womit die Schädigung von Arten oder natürlichen Lebensräumen gemeint ist, die nach europäischen Vorgaben geschützt sind [1].
Abb. 1: Haftungsformen
Sanierung von Biodiversitäts- oder Gewässerschäden
Neu ist auch die Art der „Wiedergutmachung”. Denn das Umweltschadensgesetz legt eine Rangfolge bei den Sanierungszielen für Biodiversitätsschäden oder Schäden an Gewässern fest. An erster Stelle steht die sogenannte „primäre Sanierung”, die eine Wiederherstellung des Ausgangszustands am gleichen Ort fordert. Ist dies nicht vollständig möglich, so muss entweder zusätzlich zur primären Sanierung oder anstelle dieser eine „ergänzende Sanierung” durchgeführt werden.
Ergänzende Sanierung
Die ergänzende Sanierung beinhaltet eine gleichwertige Wiederherstellung des Ausgangszustands an einem anderen Ort als dem Ort des Schadenseintritts. Treten aufgrund der erforderlichen Entwicklungszeit bis zum Greifen der primären oder ergänzenden Sanierung zwischenzeitliche Unterbrechungen der Funktionen oder zwischenzeitliche Wertverluste auf („interim losses”), ist zusätzlich zu diesen beiden Sanierungsformen eine Ausgleichssanierung durchzuführen, um einen Ausgleich der zwischenzeitlichen Verluste zu erreichen.
Finanzieller Ausgleich unzulässig
Ein finanzieller Ausgleich des eingetretenen Schadens ist nach dem Umweltschadensgesetz nicht zulässig. Der Schadensverursacher muss die Sanierungsmaßnahmen auf seine Kosten durchführen. Die mit einer solchen Sanierung verbundenen Kosten des Schadensverursachers sind je nach konkretem Fall sehr unterschiedlich und bisher kaum abzuschätzen.
Keine Haftungshöchstgrenze
Das USchadG sieht keine Haftungshöchstgrenze vor. Betreiber einer Anlage können einen Ausschluss von der Haftung für Biodiversitätsschäden erlangen, wenn sie im Zuge der Genehmigung für die zuvor ermittelten möglichen Beeinträchtigungen naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen durchgeführt haben. Bei unzureichender Berücksichtigung von möglichen Auswirkungen im Rahmen der Zulassung und damit verbundener fehlender Enthaftung für den Fall, dass diese Auswirkungen später tatsächlich eintreten (Schadensfall), besteht für das Unternehmen das Risiko, dass zur Eindämmung des Schadens (Gefahrenabwehrpflicht) der Anlagenbetrieb eingestellt werden muss.
Möglichkeiten der Enthaftung
Um dieses besondere Kostenrisiko zu minimieren, ist es für den Unternehmer sinnvoll, das Spektrum der potenziellen Auswirkungen möglichst vollständig in die Genehmigung einzustellen und damit eine Enthaftung zu erreichen. Es sollten daher im Vorfeld die möglichen Auswirkungen genau bedacht und für die ermittelten möglichen Beeinträchtigungen zugeschnittene Ausgleichsmaßnahmen durchgeführt werden. Denn nur hierdurch kann die Enthaftung erlangt werden. Ersatzzahlungen sind für eine Enthaftung nicht zulässig, weil Anhang II der Umwelthaftungsrichtlinie keinerlei Geldzahlungen als Möglichkeit einer geeigneten Sanierungsmaßnahme akzeptiert. [2]
Risiko der Betriebsstilllegung
Auch bei genehmigten Anlagen besteht aufgrund der Pflicht zur Gefahrenabwehr das Risiko einer Betriebsstilllegung im Falle von auftretenden Umweltschäden. Dies trifft vor allem auch solche Anlagen (z. B. Hüttenwerke, Kalkwerke), die lange vor dem Inkrafttreten des USchadG genehmigt worden sind und für die zur Erlangung der Genehmigung eine umfassende Betrachtung möglicher Beeinträchtigungen der Umwelt nicht zwingend war. Wurden folglich auch keine naturschutzrechtlichen Kompensationsmaßnahmen durchgeführt, können die Betreiber solcher Anlagen keine Enthaftung für mögliche Umweltschäden geltend machen. Daher sollten die Betreiber dieser Anlagen der Schadensvermeidung einen besonders hohen Stellenwert einräumen, um das Kostenrisiko einer Betriebsstilllegung möglichst zu umgehen.

3 Die Unternehmen sollten ihre Risikobetrachtung ausweiten

Eingeschränkte Versicherbarkeit
Das USchadG führt zu neuen Haftungstatbeständen, die nur eingeschränkt versicherbar sind. 97,6 % aller deutschen Industriebetriebe liegen weniger als 10 km von einem nach europäischen Naturschutzrecht geschützten FFH-Gebiet entfernt [3]. Es ist daher Vorsorge zu treffen, um das Risiko eines Umweltschadens so gering wie möglich zu halten. Das Risiko für einen Schaden bei genehmigtem Normalbetrieb und das Entwicklungsrisiko trägt allein der Unternehmer (nicht versicherbar). Versicherbar ist immer nur die Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs [4]. Jeder Unternehmer sollte dringend prüfen, inwieweit seine Betriebsstätte oder die Orte, an denen Arbeiten durchgeführt werden, eine entsprechende Risikoexposition aufweisen.
Europäisches Schadstoffemissionsregister
Für die Notwendigkeit der Ausweitung der Risikobetrachtung spricht neben dem Inkrafttreten des USchadG auch die Veröffentlichung des Schadstoffemissionsregisters (European Polutant Release and Transfer Register). Mit der Erfassung und Veröffentlichung der Emissionsangaben in dieser Datenbank geht eine stärkere staatliche Kontrolle und somit ein höherer „öffentlicher Druck” auf die Unternehmen einher.
Einflussfaktoren
Grundsätzlich ist die Höhe eines möglichen Schadens abhängig von der Art der beruflichen Tätigkeit sowie der Art und Reichweite der damit möglicherweise verbundenen Wirkungen. Einen wichtigen Einfluss hat auch die räumliche Lage und die damit verbundene räumliche Nähe zu geschützten Lebensräumen und Arten sowie deren spezifische Empfindlichkeit gegenüber den von den Tätigkeiten ausgehenden Wirkungen.
Ökologische Schäden müssen in die Risikobetrachtung einbezogen werden
Die Risikobetrachtung muss durch die Einbeziehung der natürlichen Umweltbedingungen des Standorts und der Umgebung ausgeweitet werden. So muss die Möglichkeit ökologischer Schäden im Sinne des Umweltschadensgesetzes unbedingt mit in die Risikokalkulation des Unternehmens einbezogen werden. Während die mögliche Schädigung von Boden und Gewässern auch bisher häufig schon Gegenstand der Risikobetrachtung ist, muss vor dem Hintergrund des Umweltschadensgesetzes der Blick jetzt auch auf mögliche Biodiversitätsschäden gerichtet werden. Hier muss methodisches Neuland betreten werden. Bislang sind vorwiegend gasförmige und flüssige Emissionen im Blickfeld gewesen; hinsichtlich der Biodiversitätsrisiken sind zusätzlich Auswirkungen von mechanischen Tätigkeiten (z. B. Rodungs- und Abrissarbeiten) sowie von Licht- und Schalleffekten zu beachten.
Die gesamte Wirkungskette muss in Betracht gezogen werden
Um das Schadensrisiko zu bestimmen, reicht es nicht aus, bei der Prognose der möglichen Immissionen im Regelbetrieb und bei Havarien aufzuhören. Vielmehr muss die gesamte Wirkungskette ausgehend von den Ursachen über die verschiedenen Wirkungen und Wirkpfade bis zu den betroffenen Umweltfaktoren bzw. Schutzgütern erfasst und bewertet werden. Letztlich müssen die dort hervorgerufenen direkten oder indirekten nachteiligen Veränderungen mit in die Risikokalkulation einbezogen werden.
Insgesamt sind zur Ermittlung der Höhe des Schadensrisikos damit folgende bestimmende Faktoren in die Risikobetrachtung einzubeziehen:

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