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02034 Herkunftsnachweise – Grünstrom als Alternative zu Klimaschutzmaßnahmen

Strom, der mittels erneuerbarer Energien (Windenergie, Photovoltaik, Geothermie, Wasserkraft, Biomasse) [1] erzeugt wurde, kann seine Entstehung durch sog. Herkunftsnachweise belegen. Diese Nachweise gewinnen nach jüngsten Gesetzesänderungen an Relevanz, denn sie sind im Rahmen sogenannter ökologischer Gegenleistungen bei energierechtlichen Beihilfen als Nachweisführung für den Bezug von Grünstrom mittels Netzbelieferung vorgesehen.
Beihilfeberechtigte Unternehmen, z. B. im Rahmen der besonderen Ausgleichsregelung, können durch Grünstrombezug auf die Nachweisführung von Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen verzichten. Für einen wirksamen Grünstromnachweis müssen jedoch die Spielregeln der Herkunftsnachweissystematik beachtet werden, andernfalls droht die Ablehnung der Beihilfe.
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1 Einleitung

Der Bezug von Grünstrom gewinnt bei energieintensiven Industrieunternehmen aus vielfältigen Gründen an Bedeutung: Das Strompreisniveau ist nach der energiekrisenbedingten Hochphase volatil und langfristige Stromlieferverträge aus Erneuerbare-Energien-Anlagen [2] genießen mit dem Ziel einer langfristigen Preisbindung aktuell einen großen Zulauf. Daneben sind die Anforderungen, die an die Definition von „grünem” Wasserstoff gestellt werden, zwar im Detail noch unklar, erfordern für das Merkmal „grün” jedoch erneuerbare Energien als Ausgangsbasis.
Die EU-Taxonomie definiert die Nachhaltigkeit von wirtschaftlichen Aktivitäten, sodass die Investitionsbereitschaft in Unternehmen zukünftig von deren Klimaleistung abhängen wird. Darüber hinaus ist „Klimaneutralität” ein werbewirksames Schlagwort, das für seinen Gebrauch jedoch eine geeignete Nachweisführung benötigt. Der Bezug von Grünstrom kann diese Werbung für klimaneutrale Produkte mit dem notwendigen Beleg untermauern. Und auch in der vorgeschalteten Lieferkette wird die klimaneutrale Produktion zunehmend zum Wettbewerbsfaktor und zur Bedingung unter Geschäftspartnern.
Ein weiterer Hintergrund soll mit diesem Beitrag näher beleuchtet werden:
Energierechtliche Beihilfe
Die energierechtliche Beihilfensystematik verlangt von Antragstellern zunehmend die Erbringung von sog. ökologischen Gegenleistungen. Diese Gegenleistungen knüpfen die Gewährung der energierechtlichen Beihilfe an eine Investition in Klimaschutzmaßnahmen – oder alternativ teilweise auch an die Versorgung mit grünem Strom. Industrieunternehmen haben folglich ein gesteigertes Interesse daran, ihren Strombezug von „grau” auf „grün” umzustellen. Die tatsächliche Umstellung auf Strom aus erneuerbaren Energien ist das eine, die richtige Nachweiserbringung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben das andere. Denn werden die gesetzlichen Anforderungen an die Herkunftsnachweise zur Ausweisung von Grünstrom nicht beachtet, wird der Strom seitens der gesetzlichen Vorgaben nicht als Grünstrom anerkannt, was im Rahmen der ökologischen Gegenleistungen die Ablehnung einer Beihilfe nach sich ziehen kann. Um dies zu vermeiden, ist das System zur Entwertung von Herkunftsnachweisen zwingend zu beachten.

2 Funktionsweise von Herkunftsnachweisen (HKN)

Herkunftsnachweise weisen eine in Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) erzeugte Strommenge als „Grünstrom” aus. Die Strommenge darf dabei nicht zugleich eine Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz [1] in Anspruch genommen haben (Doppelförderungsverbot). Der Anlagenbetreiber einer un- oder ausgeförderten EE-Anlage beantragt die Ausstellung eines Herkunftsnachweises beim Herkunftsnachweisregister im Umweltbundesamt pro erzeugter Megawattstunde Grünstrom und kann diesen Herkunftsnachweis im Anschluss am Markt verkaufen.
Abb. 1: Schematischer Ablauf von der EE-Anlagen-Registrierung bis zum gekennzeichneten Grünstrom [3]
Das EEG 2023 definiert den Herkunftsnachweis in § 3 Ziff. 29 als „ein elektronisches Dokument, das ausschließlich dazu dient, gegenüber einem Letztverbraucher im Rahmen der Stromkennzeichnung nach § 42 Absatz 1 Nummer 1 des Energiewirtschaftsgesetzes nachzuweisen, dass ein bestimmter Anteil oder eine bestimmte Menge des Stroms aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde.” Die Detailregelungen finden sich in der konkretisierenden Herkunfts- und Regionalnachweis-Durchführungsverordnung (HkRNDV) [4].
Grünstrommenge und HKN nicht gekoppelt
Eine wichtige Grundlage hinter der Systematik der Herkunftsnachweise ist der Umstand, dass die erzeugte Grünstrommenge und der daraufhin ausgestellte Herkunftsnachweis voneinander losgelöst am Markt gehandelt werden. Die erzeugte Megawattstunde EE-Strom und der vor diesem Hintergrund ausgestellte Herkunftsnachweis sind also nicht miteinander verbunden. Eine Ausnahme zu diesem Grundsatz stellt die „gekoppelte Lieferung” dar, mehr dazu unter 4.2.2. Wer Herkunftsnachweise handeln möchte, hat sich im Herkunftsnachweisregister in der Rolle des Elektrizitätsversorgers, Händlers, Dienstleisters oder Anlagenbetreibers zu registrieren. Stromkunden sind keine Registerteilnehmer.
Abb. 2: Funktion des HKN-Registers [5]
Damit ist der in der EE-Anlage erzeugte Strom in den Stromnetzen zunächst als „Graustrom” unterwegs. Das ergibt sich daraus, dass durch die faktische und nicht zu vermeidende Vermischung von Grau- und Grünstrom in den Stromtransportnetzen keine direkte Belieferung mit tatsächlichem Grünstrom ermöglicht wird. Der in das Netz eingespeiste Strom wird erst dann zum „Grünstrom”, wenn Herkunftsnachweise für diese Strommenge von einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen entwertet werden. Durch die Systematik der entwerteten Herkunftsnachweise wird sichergestellt, dass jede in einer EE-Anlage erzeugte MWh Grünstrom auch nur einmal an Letztverbraucher verkauft werden kann und damit nur so viel Grünstrom aus dem Netz ausgespeist wird, wie zuvor in das Netz eingespeist wurde. Nach der Entwertung kann ein Herkunftsnachweis nicht länger gehandelt oder anderweitig verwertet werden.

3 Zulässiges „Greenwashing” von Graustrom

Entwertung entscheidend
Der Herkunftsnachweis selbst stellt noch keinen Beleg für die Lieferung von Strom mit grüner Qualität dar. Erst die Entwertung deklariert eine Stromliefermenge als Grünstrom. Faktisch kann also ein entwerteter Herkunftsnachweis eine Megawattstunde Graustrom als Grünstrom deklarieren und stellt so eine zulässige Form von „Greenwashing” dar. Der entwertete Herkunftsnachweis berechtigt das Elektrizitätsversorgungsunternehmen, die gelieferte Strommenge in seinem Energieträgermix als Strom aus erneuerbaren Energien zu kennzeichnen (§ 42 Energiewirtschaftsgesetz).
Abb. 3: Beispiel Energieträgermix [6]
Elektrizitätsversorgungsunternehmen sind verpflichtet, zum 1. November jeden Jahres die Zusammensetzung des Stroms, den sie für die Stromlieferung an Letztverbraucher verwendet haben, in einem Energieträgermix auszuweisen. Dabei wird die gelieferte Strommenge mit erneuerbaren Energien und damit die Menge an entwerteten Herkunftsnachweisen sichtbar.
Durch die einmalige Entwertungsmöglichkeit ist sichergestellt, dass nicht mehr Grünstrom aus dem Netz entnommen wird, als eingespeist wurde. Soll kein grauer Strom als Grünstrom deklariert werden, sondern die in dem Herkunftsnachweis ausgewiesene Grünstrommenge tatsächlich aus einer bestimmten EE-Anlage geliefert werden, bedarf es zusätzlich einer „gekoppelten” Lieferung (früher: „optionale Kopplung”), siehe Abschnitt 4.2.2.
Entwertungsnachweis
Der Entwertungsnachweis ist nicht mit dem Herkunftsnachweis gleichzusetzen. Ein Entwertungsnachweis kann im Herkunftsnachweisregister zusätzlich als Datenbankauszug im Excel- oder PDF-Format erstellt werden [7]. In der HkRNDV sind Entwertungsnachweise nicht erwähnt, sie stellen jedoch im Rahmen der ökologischen Gegenleistungen einen eindeutigen Nachweis des Grünstrombezugs für einen bestimmten Stromkunden dar.
Wichtig
Die Notwendigkeit der Entwertung eines Herkunftsnachweises ist besonders wichtig, da Industrieunternehmen häufig mit einem Herkunftsnachweis in der Schublade der Auffassung sind, ihre Grünstrombilanz verbessert zu haben. Dies ist jedoch nicht der Fall. Für den Grünstrombezug eines Unternehmens muss der Herkunftsnachweis von dem vorgelagerten Stromlieferanten entwertet worden sein. Die rein rechnerische Verbesserung der Klimabilanz von Unternehmen durch selbstständige Entwertung von gekauften Herkunftsnachweisen ist ausgeschlossen [8]. Denn belieferte Unternehmen sind nicht befähigt, die Herkunftsnachweise für den eigenen Grünstrombezug zu entwerten. Damit ein Unternehmen seinen eigenen Strombedarf aus erneuerbaren Energien bezieht, ist es zwingend erforderlich, dass die Entwertung des Herkunftsnachweises durch den vorgelagerten Stromlieferanten durchgeführt wird.

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