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02002 Scope-2-Bilanzierung – doppelt „kommuniziert” besser

Mit der Liberalisierung der Strommärkte wurde es notwendig, der Treibhausgasbilanzierung des Strombezugs ein besonderes Augenmerk zu schenken. So wurde ein entsprechend ergänzender Leitfaden zum Greenhouse Gas Protocol entwickelt. Nach diesem Leitfaden, der Scope-2-Richtlinie (Scope 2 Guidance), müssen Unternehmen ihre Emissionen des Strombezugs nach zwei verschiedenen Methoden berichten, der marktbasierten und der standortbasierten Methode. Der Artikel geht detailliert auf die Hintergründe und Vorteile dieser neuen Prinzipien ein und erläutert das Vorgehen bei der Berichterstattung nach beiden Methoden.
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1 Grundlagen

Der wichtigste Standard für die Bilanzierung von Treibhausgasen ist das Greenhouse Gas Protocol. Die Gründungsinitiative ist eine Multi-Stakeholder-Partnerschaft von unter anderem Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Regierungen. Diese Initiative wurde vom World Resources Institute (WRI), einer US-amerikanischen Umwelt-NGO, und dem World Business Council for Sustainable Development (WBCSD), einem in Genf ansässigen Zusammenschluss von 170 internationalen Unternehmen, bereits 1998 gegründet. Sie hat die Aufgabe, international anerkannte Standards für die Bilanzierung und Berichterstattung von Treibhausgasen (THG) für Unternehmen zu entwickeln und ihre breite Anwendung zu fördern.
Der erste GHG-Protokoll-Standard „Corporate Accounting and Reporting Standard” wurde im Jahre 2001 veröffentlicht [1]. Er umfasst die Bilanzierung und die Berichterstattung der sechs Treibhausgase des Kyoto-Protokolls: Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (HFCs), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFCs) und Schwefelhexafluorid (SF6).
DIN EN ISO 14064
In den folgenden Jahren kamen zahlreiche Beispiele, branchenspezifische Ausgestaltungen und weitere Leitfäden hinzu. Auch die meisten spezifischen Normen, wie beispielsweise die DIN EN ISO 14064-1 „Spezifikation mit Anleitung zur quantitativen Bestimmung und Berichterstattung von Treibhausgasemissionen und Entzug von Treibhausgasen auf Organisationsebene”, leiten sich aus dem GHG-Protokoll „Corporate Accounting and Reporting Standard” ab.
Systemgrenzen
Besondere Beachtung finden im GHG-Protokoll die Systemgrenzen der Organisationen und die Unterteilung der sogenannten operationellen Systemgrenzen in verschiedene Bereiche, die sogenannten Scopes. Die Unterteilung soll die Abgrenzung von direkten und indirekten Emissionsquellen erleichtern und die Transparenz verbessern.

1.1 Greenhouse Gas Protocol – Erläuterung der Scopes und Begründung für die Abgrenzung

Drei Bereiche bzw. Scopes werden im Greenhouse Gas Protocol unterschieden. Die Geltungsbereiche 1 und 2 sind in diesem Standard sorgfältig definiert, um sicherzustellen, dass zwei oder mehr Unternehmen keine Emissionen im selben Scope bilanzieren können, um so Doppelzählungen zu vermeiden.
Abb. 1: Scopes nach dem GHG Protocol [1], eigene Darstellung [2]

1.1.1 Scope 1: direkte THG-Emissionen

Direkte THG-Emissionen entstehen aus Quellen, die dem Unternehmen gehören oder von ihm kontrolliert werden, z. B. Emissionen aus der Verbrennung in eigenen oder kontrollierten Kesseln, Öfen, Fahrzeugen usw. Hierunter fallen auch flüchtige Emissionen beispielsweise aus chemischen Prozessen.

1.1.2 Scope 2: indirekte THG-Emissionen aus eingekauften Energien

In diesem Bereich werden die THG-Emissionen aus der Erzeugung von eingekaufter, leitungsgebundener Energie zusammengefasst. Diese sind Strom, Fernwärme und Dampf.

1.1.3 Scope 3: andere indirekte THG-Emissionen

In dieser Rubrik werden alle Treibhausgasemissionen berichtet, die in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette des berichtenden Unternehmens entstehen. Diese Emissionen sind somit eine Folge der Aktivitäten des Unternehmens, stammen aber aus Quellen, die nicht im Besitz des Unternehmens sind und nicht von ihm kontrolliert werden. Einige Beispiele für Scope-3-Aktivitäten sind die Gewinnung und Produktion von Materialien, die Transporte externer Dienstleister und die Nutzung verkaufter Produkte und Dienstleistungen.
Pflicht und Kür
Nach dem GHG-Corporate-Standard müssen Unternehmen mindestens die Bereiche 1 und 2 bilanzieren und berichten, Scope 3 ist optional.

1.2 Abgrenzung von Scope 2 zu Scope 1 und 3

Wichtig für die Unterscheidung der Scopes: Der für Scope 2 verwendete Strom-Emissionsfaktor bildet nur die direkten Emissionen aus den Stromerzeugungsanlagen ab.
Emissionen, die in der vorgelagerten Wertschöpfungskette der Energieerzeugung entstehen, dürfen nicht in dem vom Unternehmen verwendeten Emissionsfaktor enthalten sein. Diese Emissionen, die beispielsweise bei der Extraktion der Rohstoffe (Kohle, Erdöl etc.) entstehen, sowie alle Transporte der Rohstoffe und auch Verteilverluste im Versorgungsnetz sind unter Scope 3.3 „Fuel and Energy-Related Activities Not Included in Scope 1 or Scope 2” zu berichten.
Abb. 2: Abgrenzung Scope 2 und Scope 3.3 nach dem GHG Protocol [], eigene Darstellung [2]
Auch die Abgrenzung zu den Scope-1-Emissionen ist von Bedeutung. So werden Scope-2-Emissionen bilanziert, wenn ein Unternehmen seine Energie von einem anderen Unternehmen, bzw. einem Stromlieferanten bezieht.
Abb. 3: Abgrenzung Scope 1 und Scope 2, eigene Darstellung nach [3]
Doppelzählungen vermeiden
In Abbildung 3 ist zu erkennen, dass mehrere Unternehmen dieselben Emissionen berichten, nämlich diejenigen, die bei der Erzeugung des Stroms im Kraftwerk entstehen. Um dem Rechnung zu tragen und Doppelzählungen zu vermeiden, wurde das Prinzip der unterschiedlichen Scopes entwickelt. In unserem Beispiel wird deutlich, dass die Scope-1-Emissionen eines Unternehmens (hier die der Stromerzeugungsanlage) gleichzeitig die Scope-2-Emissionen eines anderen Unternehmens sein können.
Diese Abgrenzungen waren bereits im ersten Greenhouse Gas Protocol definiert. Im Laufe der Zeit hat man jedoch die Notwendigkeit gesehen, weitere Spezifikationen zum Scope 2 festzulegen, weshalb dann eine neue Leitlinie entwickelt wurde.

1.3 Entwicklung der Scope-2-Leitlinie

Die Scope-2-Richtlinie [4] behandelt in der Hauptsache eingekauften Strom, daher konzentriert sich auch der vorliegende Artikel auf diesen Bereich.
Entwicklung des Strommarkts
Der Strommarkt hat sich seit der ersten Veröffentlichung des GHG-Protokolls stark gewandelt. International wuchsen die Bedeutung des sogenannten Ökostroms und des Handels mit Herkunftsnachweisen. Die Märkte entwickelten sich jedoch international unterschiedlich, und die Unternehmen nutzten verschiedene Mechanismen für den Kauf und die Inanspruchnahme erneuerbarer Energien – ob Herkunftsnachweise (HKN) in Europa, Erneuerbare-Energien-Zertifikate (RECs) in den USA, lieferantenspezifische Vereinbarungen oder Stromabnahmeverträge.
Zudem ist die Berichterstattung der Stromanbieter über Emissionen des verkauften Stroms inkonsistent. Die Offenlegungspflichten der Versorger und die Berechnungsmethodik unterscheiden sich, was es für Verbraucher schwierig macht, diese Art von Informationen zu nutzen.
Schwierigkeiten
Zudem ist Strom ein erheblicher Kostenfaktor für Unternehmen und hat einen starken Einfluss auf die Umwelt. Unternehmen waren unsicher, wie sie die Emissionen aus bezogenem Strom bilanzieren sollten. Der ultimative Treiber für die Scope-2-Leitlinien waren dann auch die inkonsistenten Unternehmensberichte. Es war unmöglich abzugleichen, was die Ergebnisse von Jahr zu Jahr bedeuteten, ob Unternehmen Emissionen reduzierten oder nicht und erst recht, wie die Leistung mehrerer Unternehmen verglichen werden konnten.
2011 erstellte das Greenhouse Gas Protocol dann die Scope 2 Guidance. Grundlage waren eingehende Untersuchungen in 23 Märkten mit mehr als 200 Stakeholdern über vier Jahre hinweg.
Definition zweier Methoden
Die Besonderheit dieser neuen Scope-2-Leitlinie ist, dass zwei unterschiedliche Methoden für die Bilanzierung von Scope 2 definiert wurden. Beide Methoden sind für unterschiedliche Zwecke nützlich; gemeinsam bieten sie eine umfassende Dokumentation und Bewertung von Risiken, Chancen und Veränderungen der Emissionen aus der Stromversorgung im Laufe der Zeit.

2 Berechnungsmethoden Scope 2

Die beiden Berechnungsmethoden heißen in der Scope 2 Guidance „market based method” und „location based method”, also marktbasierte und standortbezogene Methode. In Ländern mit liberalisiertem Strommarkt wie in Deutschland, in denen der Stromkunde seinen Stromlieferanten und das -produkt wählen kann, müssen Unternehmen ihre Emissionen aus bezogenem Strom nach beiden Methoden ausweisen.

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