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03002 Das Mobilitätsbudget

Arbeitgeber bieten ihren Mitarbeitenden die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel immer häufiger in Form von Mobilitätsbudgets an. Warum? Sie können damit zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Steigerung der Arbeitgeberattraktivität (Stichwort Mitarbeiterbindung) und Verbesserung der Klimabilanz (Nachhaltigkeit) des Unternehmens.
Dieser Beitrag erläutert, was genau unter einem Mobilitätsbudget als Teil der betrieblichen Mobilität zu verstehen ist und wie die Einführung gelingt.
von:

1 Einführung

Das Thema Mobilitätsbudget ist zwischenzeitlich in aller Munde und bestimmt viele Diskussionen im betrieblichen Mobilitätsmanagement. Längst sind die Zeiten von „Dienstwagen und sonst nix” oder „Jobticket als einziges Angebot für nachhaltiges Pendeln” vorbei. Betriebliche Mobilität wird multimodal – sie ist weniger autozentriert, stattdessen vielfältiger, bedarfsgerechter und damit auch umweltverträglicher.
„Bisher war es meinem Arbeitgeber eigentlich egal, wie ich zur Arbeit komme. Die meisten Kolleginnen und Kollegen kamen mit dem Auto und das allein. Manche haben das Jobticketangebot für den ÖPNV genutzt. Jetzt motiviert uns mein Arbeitgeber, möglichst umweltfreundlich zur Arbeit zu kommen. Wir bilden Fahrgemeinschaften, kommen mit dem Rad oder zu Fuß und nutzen natürlich auch die Öffis. Und wem der Weg von der Haltestelle zur Verwaltung zu Fuß zu weit ist, kann ein Mietrad oder einen E-Scooter nutzen. Alle Mitarbeitenden bekommen dafür monatlich ein Mobilitätsbudget in Höhe von 100 €. Außerdem gibt es in unserer Firma seit Kurzem einige Carsharing-Autos, die man sich unkompliziert auch für private Zwecke ausleihen kann. Mit dem Auto zur Arbeit ist bei uns jetzt nicht mehr angesagt und auch meistens nicht mehr nötig.” So oder so ähnlich berichten immer mehr Beschäftigte.

2 Veränderte Nachfrage

Keine Einzelfälle
Dass es sich bei diesen Aussagen nicht mehr um Einzelfälle handelt, bestätigt der Verlag nexus Communication Fleet & Mobility Media (Lüttich, Belgien) mit seiner im Sommer 2021 in Europa durchgeführten Befragung [1]:
Mitarbeiter*innen sind im hohen Maße (> 40 %) bereit, öffentliche Verkehrsmittel in Verbindung mit Carsharing- und Carpooling-Angeboten zu nutzen. Außerdem hat der Verlag ermittelt, dass Arbeitgeber auch bereit sind, die Nutzung von Sharing-Angeboten zu fördern: 36 bzw. 45 % der befragten Unternehmen haben geantwortet, dass sie für ihre Belegschaft in den nächsten drei Jahren Angebote aus dem Mikromobilitäts- bzw. Sharing-Bereich nutzbar machen werden. Und 45 % der befragten Unternehmen werden ihren Mitarbeitenden Mobilitätsbudgets anbieten (s. Abb. 1).
Abb. 1: Wie sich Unternehmen an neue Mobilitätsbedürfnisse anpassen [2]
Vorteil Flexibilität
Dieser Trend macht auch keinen Stopp bei der Gruppe der Dienstwagennutzer*innen: Arbeitgeber bieten heute Alternativen zum Dienstwagen an. Jetzt können die Berechtigten frei entscheiden: Anstelle eines Leasingautos erhalten sie – wenn gewünscht – ein Mobilitätsbudget. Damit finanzieren sie z. B. ein Monatsabo für den öffentlichen Verkehr, E-Bikes im Dienstradleasing und/oder die Nutzung von Sharing-Angeboten. Im Winter wählen sie möglicherweise für einige Monate ein Auto-Abo. Das ist ein attraktives Angebot, das sich an der persönlichen Lebenssituation der Mitarbeitenden orientiert und es ihnen gleichzeitig ermöglicht, auch ohne eigenes Auto gut und klimagerecht mobil zu sein.
„Niemals!”, denken jetzt möglicherweise einige. „Der Dienstwagen ist doch das Maß aller Dinge.” Stimmt, er gilt bei vielen weiterhin als erstrebenswerter Arbeitgeber-Benefit. Aber immer mehr Menschen wünschen sich Alternativen zum Dienstwagen: Dataforce hat in einer Ende 2020 durchgeführten Markterhebung ermittelt, dass (von den 33 % aller Dienstwagennutzer*innen, die Veränderungen gegenüber offen sind) 20 % der Dienstwagennutzer*innen bereit wären, ein kleineres Auto zu fahren und dass 15 % von ihnen sogar ganz auf einen Dienstwagen verzichten würden (s. Abb. 2).
Abb. 2: Zu welchen Veränderungen Dienstwagenfahrer*innen bereit sind [3]
Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Öko-Institut in seiner im Herbst 2022 durchgeführten Marktbefragung, in der 21 % der Befragten angeben, auf den Dienstwagen verzichten zu wollen.
Abb. 3: Zustimmung und Vorbehalte gegenüber dem Mobilitätsbudget [4]

3 Das Mobilitätsbudget – kein Standardprodukt

Was genau verbirgt sich hinter einem Mobilitätsbudget und wie funktioniert es?
Für ein Mobilitätsbudget gibt es keine definierte Norm. Man kann allerdings festhalten, dass es sich um ein Bündel von Mobilitätsdienstleistungen unter Einbeziehung verschiedenster Verkehrsmittel handelt.
Private Mobilität
In ihrer monatlichen Höhe variieren Mobilitätsbudgets in Abhängigkeit von der Zielgruppe im Unternehmen. Entscheidend ist, dass es sich immer um die private Mobilität der Mitarbeitenden handelt. Sofern ein*e Mitarbeiter*in Dienstwege oder Geschäftsreisen absolvieren muss, sollten zwei gesonderte Budgets festgelegt werden für die dienstliche und für die private Mobilität.
Steuerabzüge
Mitarbeitende wie auch der Arbeitgeber müssen auf der Basis des Mobilitätsbudget-Betrags Lohnsteuer und ggf. auch Beiträge zur Sozialversicherung abführen, wobei für die einzelnen Verkehrsmittel unterschiedliche Steuerregelungen gelten (s. auch „Exkurs Lohnsteuer” im Abschn. 6.1).
Neue Software- und Plattformanbieter
Beim Zugang, der Buchung, der Abrechnung und vor allem bei der Versteuerung der einzelnen Mobilitätsangebote kommen neue Anbieter für Mobilitätsbudgets zum Zuge. Bei den meisten Anbietern fotografieren die Mitarbeitenden die Kostenbelege, senden sie per Mobilitätsbudget-App an den Dienstleister, dieser prüft sie, ordnet die korrekte Versteuerung zu und überträgt die Datensätze an die Personalabteilung des Arbeitgebers. Zugrunde liegt dabei jeweils eine professionelle und komplexe Einkommenssteuersoftware.
Mobility as a Service
Andere Anbieter haben plattformbasierte, tief integrierte Ansätze auf der Basis von Mobility-as-a-Service(MaaS)-Plattformen. Der Kunde (= Mitarbeiter*in) meldet sich einmalig für ein zentrales Kundenkonto an, hinterlegt sein Zahlungsmittel, informiert sich über die gewünschten Mobilitätsangebote, bucht und nutzt sie – eine One-Shop-Stop-Lösung also.

4 Das Allroundtalent Mobilitätsbudget

Pariser Klimaziele
20 % aller Wege in der Personenmobilität sind Pendelwege (Statista). Dabei fahren zwei von drei Mitarbeitern/Mitarbeiterinnen mit dem Auto zur Arbeit und lediglich 14 % nutzen den ÖPNV (Statista). Im Auto sitzen durchschnittlich exakt 1,075 Personen (Statista). Auf dem Weg zur Arbeit steht der/die Deutsche durchschnittlich 40 Stunden im Stau (Statista). Die Schweizer Rückversicherung hat ermittelt, dass wir, wenn sich die Temperaturen weiter so erhöhen, zukünftig 20 % des weltweiten Bruttosozialprodukts für das Management von Umweltkatastrophen ausgeben müssen. Alles in allem sind wir im Verkehrssektor weit davon entfernt, den erforderlichen Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele zu leisten.
Die Anwendung von Mobilitätsbudgets wird das Mobilitätsverhalten sukzessive verändern – weg von der Fahrt allein im Auto, hin zur Fahrt mit dem Rad oder mit dem öffentlichen Personennahverkehr in Verbindung mit Shared Mobility. So werden Mobilitätsbudgets dazu beitragen, dass sich die CO2-Emissionen im Verkehrssektor und die damit verbundene Belastung der Umwelt verringert, und Unternehmen werden in ihrer Rolle als Arbeitgeber dabei zu einem wichtigen Multiplikator.
EU-Taxonomie-Verordnung
Im Übrigen – die neue EU-Taxonomie-Verordnung sieht u. a. vor, dass Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten (voraussichtlich bereits ab dem Berichtsjahr 2023) im Lagebericht ihres Geschäftsberichts erstmalig zur Pendelmobilität ihrer Belegschaft berichten müssen (im sog. Scope 3). Es ist davon auszugehen, dass Unternehmen, die nicht anhand konkreter Ergebnisse darlegen können, wie sie sich unternehmensweit für den Schutz des Klimas einsetzen, zukünftig erhebliche Einbußen bei der Bewertung durch ihre Gesellschafter und/oder Ratingagenturen erfahren werden.
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